Vermeiden statt Streiten
Jährlich landen 50.000 Bauprojekte vor Gericht. Und das, obwohl alle Beteiligten im Grunde genommen das gleiche Ziel haben: ein Projekt erfolgreich zu beenden. Wirtschaftsmediatorin und öbv. Sachverständige Christine Andres hat mehr als ein Vierteljahrhundert Erfahrung in der grünen Branche - und weiß, dass sich derartige Eskalationen mit offener, ehrlicher Kommunikation häufig verhindern lassen.
Was ist der Grund, dass zehntausende Bauprojekte vor Gericht landen?
Auslöser ist oft mangelhafte Kommunikation, aber bis man tatsächlich vor Gericht geht, muss normalerweise noch mehr passieren. Da geht es dann letztlich häufig nur noch darum, recht zu behalten. Konflikte nähern sich meist schleichend. Es fängt damit an, dass man Störendes nicht konkret anspricht bis letztlich eine offene Kommunikation nicht mehr möglich ist.
Wie kommt es denn im Arbeitsalltag zu derartigen Situationen?
Der Alltag auf dem Bau ist oft geprägt von einem ständigen Termin- und Kostendruck, von unklaren Vereinbarungen, gegenseitigen Schuldzuweisungen, Ausreden, leeren Versprechungen, viel Stress und als Folge einem unfreundlichen Umgangston. Nur die wenigsten Landschaftsgärtner haben einen reibungslosen Bauablauf. Da ändert der Planer zum x-ten Mal die Pläne, die trotzdem nicht praktikabler werden. Da müssen bei einem unbelehrbaren Kunden Bedenken angemeldet werden. Der Schriftverkehr wächst, die Kräfte schwinden - und damit die Freude an der Arbeit.
Wie lässt sich vermeiden, dass man letztlich nicht mehr miteinander spricht?
Gerade bei Großprojekten mit vielen Beteiligten kann eine neutrale Baustellenmoderation hilfreich sein. Das heißt, von Anfang an ist ein Moderator mit dabei, der hilft, Absprachen zu treffen und den Bauprozess begleitet. Folgendes sollte zu Beginn geklärt werden: Wie wollen wir kommunizieren? Wer hat welche Befugnisse? Wie sind die Erreichbarkeiten? Wird ein Aufmaßplan gemacht oder nicht? Wie dokumentieren wir? Wie sollen Besprechungen ablaufen? Es ist unglaublich frustrierend, wenn man nach einer vierstündigen Besprechung ohne Ergebnis rauskommt.
Für Privatkunden scheint ein derartiger Aufwand recht hoch. Wie macht man es da?
Manche Konflikte entstehen, weil eine Partei unsicher ist. Da gibt es beispielsweise keinen Plan oder kein vernünftiges Angebot. Das kann man ändern. Auch der Umgang mit Reklamationen ist häufig verbesserungsfähig. Viele Landschaftsgärtner gehen sehr unprofessionell mit Mängeln um, rufen beispielsweise spät zurück oder gar nicht. Das alles birgt Konfliktpotenzial.
Etwas schriftlich zu fixieren hilft also, Konflikte zu vermeiden?
Ja und nein. Hilfreich ist es, Vereinbarungen aufzuschreiben und zu dokumentieren. Vorsichtig sollte man mit dem Schriftverkehr sein, wenn man sich ärgert. Ich habe oft festgestellt, dass man sich schriftlich Dinge erlaubt, die man nie jemandem ins Gesicht sagen würde. Oder die man ganz anders meint, als sie beim Empfänger ankommen. Telefonieren oder persönlich miteinander sprechen ist immer die bessere Wahl.
Haben Sie Tipps für eine offene, ehrliche, wertschätzende Kommunikation?
Bleiben Sie wann immer möglich bei der persönlichen Kommunikation. Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Wiederholen Sie das, was der andere gesagt hat, mit eigenen Worten, wenn Sie nicht sicher sind. Äußern Sie offen Ihre Wünsche und Vorstellungen. Tun Sie das frühzeitig. Man muss den richtigen Zeitpunkt erwischen, um etwas anzusprechen. Wenn die ersten Störungen erst mal drin sind, wird es immer schwieriger. Geben Sie Fehler zu, wenn Sie welche gemacht haben - das schafft Vertrauen. Und hüten Sie sich vor persönlichen Angriffen. Sehen Sie den anderen immer als Person, mit der Sie auf Augenhöhe kommunizieren. Sobald Sie denken, dass der andere ja keine Ahnung hat, dürfen Sie nicht erwarten, dass die Kommunikation funktioniert.
Wie kann Mediation im Konfliktfall helfen?
Die Mediation ist ein wunderbares Instrument, um Konflikte zügig und mit sehr geringen Kosten aus der Welt zu schaffen. Bei der Mediation geht es darum, dass die Parteien selbst eine Lösung finden. Deshalb muss auch sie wie eigentlich alle anderen außergerichtlichen Verfahren, die eine Mitwirkung der Beteiligten vorsehen rechtzeitig begonnen werden. Wenn es erst mal einen Gewinner und einen Verlierer gibt will man normalerweise nichts mehr miteinander zu tun haben. Dann bleibt in der Regel nur noch der ungewisse Gang zum Gericht.