Einleitung
Straßen aus Betonsteinpflaster sind im innerstädtischen Bereich eine sinnvolle Alternative zum Asphaltstraßenbau. Sie weisen Vorteile in der Gestaltung und im Betrieb der Straßen auf. Das Straßenbild kann durch den Einsatz von Betonsteinpflaster aufgelockert werden und Aufgrabungen können ohne „Narben" wieder verschlossen werden.
In der schalltechnischen Bewertung muss derzeit noch auf die RLS-90 zurückgegriffen werden, nach denen Betonsteinpflasterstraßen als „Pflasterbeläge mit ebener Oberfläche" kategorisiert werden. Aus dieser Kategorisierung ergibt sich ein DStrO-Wert von DStrO = +2 dB bis DStrO = +3 dB, je nach Fahrgeschwindigkeit v zwischen 30 km/h und 50 km/h.
Moderne Verfahren zur Herstellung von Betonsteinen und zum Einbau als Straßenbelag lassen vermuten, dass dieser o. g. Malus für den DStrO-Wert nicht mehr der Realität entspricht. Da die RLS-90 derzeit überarbeitet werden ist es deshalb sinnvoll, die Geräuschemissionen von Pflasterstraßen neu zu bewerten. Hierzu wurde in Zusammenarbeit des Betonverbands Straße, Landschaft, Garten e.V. (SLG), der Bundesanstalt für Straßenwesen und Müller-BBM ein Messkonzept entwickelt. Die Messergebnisse und deren Interpretation werden im Folgenden beschrieben.
Messkonzept
In einem ersten Schritt wurden vom SLG ca. 70 Strecken mit Betonsteinpflaster für die Untersuchung vorgeschlagen. Die Streckenauswahl umfasste sowohl vermeintlich akustisch günstige Strecken, die durch großformatige Steine mit schmalen Fugen charakterisiert sind, wie auch Strecken auf denen ein verhältnismäßig hohes Reifen-Fahrbahn-Geräusch zu erwarten ist (z. B. beim Einsatz gekollerter Steine). Die Strecken wurden von Müller-BBM hinsichtlich der Tauglichkeit für die Messdurchführung überprüft. Es sollten sowohl Nahfeldmessungen mit dem CPX-Verfahren, als auch Statistische Vorbeifahrtmessungen durchgeführt werden.
Die CPX-Messungen wurden schließlich an 20 Strecken durchgeführt. Ähnlich wie die ursprüngliche Strecken-sammlung aus 70 Strecken enthielt auch diese Streckenauswahl sehr unterschiedliche Realisierungen (groß- und kleinformatige Pflaster neuer und älterer Baujahre). Die CPX-Messungen wurden mit einer Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h durchgeführt, auf einzelnen Strecken fanden je nach Streckenführung auch Messungen mit 50 km/h statt.
Auf allen Strecken wurde mit den beiden Normmessreifen P und H gemessen, die jeweils einen typischen Pkw-Reifen (P) bzw. Lkw-Reifen (H) repräsentieren.
Die Statistischen Vorbeifahrtmessungen wurden schließlich an 5 Strecken durchgeführt, die in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Straßenwesen ausgewählt wurden.
Messergebnisse
In der folgenden Abbildung sind die Messergebnisse der CPX-Messungen darstellt. Auf der x-Achse sind die Streckennummern aufgetragen, auf der y-Achse die CPX-Indizes für die beiden Messreifen P und H. Einige Strecken treten mehrfach auf, da die Messungen wenn möglich in beiden Fahrtrichtungen und auf allen Fahrsteifen durchgeführt wurden.
Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, ist der Dynamikbereich für den textursensitiveren Pkw-Reifen deutlich größer als für den Lkw-Reifen. Für Pkw-Reifen beträgt der ermittelte Dynamikbereich ca. 6 dB. Generell sind für die Betrachtung von Pflasterstraßen die mit Pkw-Reifen gemessenen Reifen-Fahrbahn-Geräusche relevanter, da sich die Pflasterbauweise insbesondere für Straßen geringer Belastungsklassen und somit geringem Schwerverkehrsaufkommen eignet.
Die Statistischen Vorbeifahrtmessungen wurden an den Strecken 14, 39, 62, 66 und 67 durchgeführt. Alle untersuchten Strecken lagen im innerörtlichen Bereich und sind durch annährend allseitige Bebauung gekennzeichnet. Somit sind die normativen Anforderungen an Statistische Vorbeifahrtmessungen, bei denen in einem 10 m Radius um die Messstelle keine reflektierenden Hindernisse vorhanden sein dürfen, nicht einzuhalten. Durch die entstehenden Reflexionen ergeben sich höhere Messergebnisse. Auch das Backing-Board Verfahren schafft hier keine ausreichende Abhilfe, da sich nicht nur hinter dem Messmikrofon, sondern auch gegenüber reflektierende Baukörper befinden. Um dennoch vergleichbare Messergebnisse zu erzielen, wurden die SPBMessungen um eine Schallausbreitungsberechnung ergänzt. In dieser Schallausbreitungsberechnung wurde die umgebende Bebauung digital realisiert und die Straße als Linienschallquelle eingearbeitet. Die Linienschallquelle wurde entsprechend dem standardisierten Verkehrslärmspektrum modelliert. Die Ausbreitungsberechnungen wurden dann sowohl mit Bebauung als auch ohne Bebauung durchgeführt und die sich durch Reflexionen ergebenden Unterschiede in Rasterlärmkarten dargestellt. In den Rasterlärmkarten konnte separat für jede Situation die an der jeweiligen Messposition durch die Reflexion hervorgerufene Erhöhung des Schalldruckpegels ermittelt werden.
In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse der SPB-Messungen dargestellt.
Ein Vergleich von Lp,ref und Lp,oref zeigt, dass die Reflexionen der umliegenden Gebäude einen Einfluss von 0,4 dB bis 1,0 dB, je nach Geometrie der Bebauung, ergeben.
Zur Einordnung der Messergebnisse bzw. zur Ermittlung eines Vergleichswerts zum DStrO-Wert müssen die Messergebnisse mit einer Referenz verglichen werden. Eine festgelegte Referenz ist jedoch aktuell nur für eine mittlere Fahrgeschwindigkeit von 120 km/h vorhanden und liegt für Pkw bei 85,2 dB(A). Für niedrigere Geschwindigkeiten muss dieser Referenzwert umgerechnet werden. In der nachfolgenden Abbildung sind der Referenzwert, die Messwerte aus Tabelle 1 ohne Reflexionsanteil Lp,oref und unterschiedliche Modelle für die Umrechnung hin zu niedrigeren Geschwindigkeiten dargestellt.
Die rote und die schwarze Linie zeigen die Umrechnungen des Referenzwertes auf niedrige Geschwindigkeiten unter der Annahme b = 2,5 (rot) bzw. b = 3,5 (schwarz) für den Geschwindigkeitsexponenten. Die genannten Werte für b entsprechen dem dort genannten Minimal- bzw. Maximalwert. Auf diese Weise wird der Wertebereich für einen Vergleichswert zum DStrO bei niedrigen Geschwindigkeiten mit der größtmöglichen Bandbreite aufgebaut. Zusätzlich sind noch die Kurven gemäß RLS-90 und nach dem IMAGINE-Emissionsmodell für einen Abstand von 7,5 Metern und dem maximalen Vorbeifahrtpegel einer Einzelvorbeifahrt eingezeichnet. Diese Kurven liegen für den hier betrachteten niedrigen Geschwindigkeitsbereich in derselben Größenordnung wie die Umrechnung über die logarithmische Geschwindigkeitsbeziehung mit einem Geschwindigkeitsexponenten von b = 3,5. Auch das Modell nach Ullrich (grüne Dreiecke in Abb. 1) liefert für die modelleigenen Referenzgeschwindigkeiten Referenzwerte nahe dem Geschwindigkeitsexponenten von b = 3,5.
Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die Verwendung des Geschwindigkeitsexponenten b = 3,5 die Ergebnisse der anderen beschriebenen Modelle gut nachbildet und zudem auf der – für den Anwohner – sicheren Seite liegt. Dies bedeutet, dass die Verwendung von b = 3,5 zu einem konservativen Ergebnis führt. Die Referenzwerte für 30 km/h und 40 km/h liegen dann bei Lref, 30 km/h = 64,1 dB(A) bzw. Lref, 40 km/h = 68,5 dB(A).
Die Ergebnisse zeigen, dass sich bei den untersuchten Betonsteinpflasterstrecken Vergleichswerte zwischen DStrO = +1,5 dB und DStrO = -2,8 dB ergeben. Der Mittelwert der 5 untersuchten Strecken liegt bei -1,2 dB.
Dieses Ergebnis zeigt, dass es bei Beachtung einiger planerischen und bautechnischen Randbedingungen möglich ist, eine Straße aus Betonsteinpflaster herzustellen, bei der sich ein Vergleichswert zum DStrO-Wert von zumindest DStrO = -1 dB ergibt.
Es wird deshalb angeregt, eine neue Kategorie von Pflasterbauweisen in die überarbeitete Version der RLS-90 aufzunehmen, die dieser Tatsache Rechnung trägt.
Bis dies umgesetzt ist können die akustischen Eigenschaften einzelner Betonsteinpflasterstraßen nach sorgfältiger Planung und Umsetzung über akustische Messungen nachgewiesen werden.
Quelle:
"Akustische Eigenschaften von Betonsteinpflasterstraßen", Manuel Männel (Müller-BBM), Dietmal Ulonska (SLG)
Sonderdruck aus dem Tagungsband der 42. Jahrestagung für Akustik (DAGA 2016)
14. - 17. März 2016